VERANTWORTUNG STATT VERMARKTUNG: BUNDESREGIERUNG STOPPT VERSAND VON MEDIZINALCANNABIS

Vor etwas mehr als einem Jahr trat das Cannabisgesetz (KCanG) in Kraft – und leitete damit eine neue Ära der Cannabiskultur in Deutschland ein. Zum ersten Mal wurde Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz gelöst, die jahrzehntelang verstaubten Stigmata fielen – und der Umgang mit der Pflanze bekam endlich eine zeitgemäße Grundlage. Was als gesellschaftlicher und politischer Aufbruch gefeiert wird, zeigt heute jedoch auch ein gemischtes Bild: Fortschritt, ja – aber mit Korrekturbedarf. 

Denn während das Gesetz klare Strukturen schaffen und zwischen Freizeitkonsum und medizinischer Nutzung unterscheiden sollte, führte es an manchen Stellen zu einer ungewollten Vermischung. Vor allem im Bereich der Telemedizin öffnete sich eine Grauzone, in der Medizinalcannabis plötzlich zum Trendprodukt wurde – mit Online-Fragebögen, Social-Media-Kampagnen und Versandservices, die den Zugang zwar bequem, aber auch missverständlich machten. Das Ergebnis: Eine enorme Zunahme an Online-Verschreibungen und ein immer schwerer zu trennender Markt zwischen therapeutischer Nutzung und Freizeitgebrauch. Jetzt zieht die Bundesregierung die Konsequenz – mit Änderungen am Medizinal-Cannabisgesetz, die genau diese kritischen Entwicklungen korrigieren soll.

EIN JAHR KCANG – DIE ZWISCHENBILANZ

Ein Jahr nach Inkrafttreten zeigt sich, dass die Teillegalisierung kein Freifahrtschein war, sondern ein sensibles Experiment mit Licht und Schatten.

  • Keine signifikante Konsumsteigerung:
    Entgegen vieler Befürchtungen ist die Zahl der Cannabis-Konsument:innen in Deutschland seit der Legalisierung kaum gestiegen. Das spricht dafür, dass verantwortungsvoller Konsum funktioniert – und Panikszenarien unbegründet waren.
  • Schwarzmarkt bleibt bestehen:
    Trotz legaler Anbauvereinigungen ist der Schwarzmarkt weiterhin aktiv. Der Grund: Viele Vereine kämpfen noch immer mit bürokratischen Hürden, fehlenden Flächen oder Genehmigungen – sie können den tatsächlichen Bedarf schlicht nicht decken.
  • Boom bei Online-Verschreibungen:
    Gleichzeitig stieg die Zahl der Medizinal-Cannabis-Rezepte über Telemedizin-Plattformen stark an. Was als Erleichterung für Patient:innen begann, entwickelte sich zu einem Geschäftsmodell mit wachsender Kritik: zu wenig ärztlicher Kontakt, zu viel Convenience, zu viel Marketing.

THE CALL FOR CHANGES – GESETZESANPASSUNG ZU MEDIZINALCANNABIS

Am 8. Oktober 2025 hat das Bundeskabinett deshalb eine Änderung des MedCanG beschlossen, um diese Fehlentwicklungen zu stoppen. Ziel ist es, die medizinische Versorgung zu sichern – und zugleich die Grauzonen digitaler Rezeptmodelle zu schließen.

Was sich konkret ändert: 

Mit der Anpassung des Gesetzes treten drei zentrale Änderungen in Kraft, die den Umgang mit medizinischem Cannabis in Deutschland neu definieren:

  1. Persönlicher Arztkontakt wird Pflicht

    Künftig darf Medizinalcannabis nur noch verschrieben werden, wenn zuvor ein persönlicher Kontakt zwischen Patient:in und Arzt oder Ärztin stattgefunden hat – in der Praxis oder per Hausbesuch. Damit soll gewährleistet werden, dass die Verschreibung auf einer fundierten ärztlichen Einschätzung basiert: mit Anamnese, körperlicher Untersuchung und der Berücksichtigung anderer Medikamente oder Erkrankungen.
    Zudem müssen Ärzt:innen ihre Patient:innen regelmäßig über mögliche Risiken wie Abhängigkeit oder psychische Nebenwirkungen informieren – fortlaufend, nicht nur einmalig.

  2.  Telemedizin bleibt erlaubt – aber nur eingeschränkt

    Telemedizin verschwindet nicht, sie wird nur klar geregelt. Wer bereits Cannabis verschrieben bekommen hat, kann Folgerezepte auch digital erhalten – aber nur, wenn innerhalb von vier Quartalen mindestens einmal ein persönlicher Termin stattfindet. So bleibt der Zugang für chronisch Kranke bestehen, ohne dass die ärztliche Verantwortung verloren geht.

  3. Versandverbot für Cannabisblüten

    Ein zentraler Punkt: Der Versandhandel mit Medizinalcannabis wird verboten.
    Cannabis darf künftig ausschließlich über Apotheken abgegeben werden – verbunden mit einer persönlichen Beratung.
    Das soll verhindern, dass Cannabis wie ein Online-Shop-Produkt behandelt wird. Der Botendienst der Apotheken – also die persönliche Lieferung durch Apothekenmitarbeitende – bleibt aber weiterhin erlaubt, etwa für immobile Patient:innen.

ZWISCHEN THERAPIE UND TREND

Für viele Patient:innen war Telemedizin eine hilfreiche Brücke – vor allem für Menschen mit chronischen Schmerzen, ADHS oder anderen Erkrankungen, bei denen Cannabis Linderung verschafft. Doch die Entwicklung der letzten Monate zeigte: wo Hilfe nötig war, wurde oft Geschäft daraus. Werbung, Rabattaktionen und Social-Media-Kampagnen verwischten die Grenze zwischen Therapie und Lifestyle. Cannabis als Medizin ist aber Trendprodukt. Und Patient zu sein ist keine Haltung, mit der man wirbt. Während Telemedizin-Unternehmen ihre Reichweite digital ausbauten, kämpfen Cannabis-Anbauvereinigungen weiter mit Auflagen, Fristen und Verboten. Dabei stehen gerade sie für das, was das Gesetz eigentlich fördern sollte. Sicheren, transparenten Zugang – ohne Kommerz, ohne Werbung, mit Fokus auf Qualität und Aufklärung.

FORTSCHRITT DER FEINSCHLIFF BRAUCHT

Ein Jahr nach Cannabis Legalisierung zeigt sich: The machine is running… Aber sie braucht Feinschliff. Das neue Versandverbot und die Pflicht zum persönlichen Arztkontakt sind wichtige Schritte, um Seriosität und medizinische Verantwortung zu sichern. Das stellen die Änderungen am Medizinal-Cannabisgesetz keinen Rückschritt dar, sondern einen notwendigen Realitätscheck. 

Für Patient:innen, die echte Versorgung brauchen.

Für Ärzt:innen, die Verantwortung übernehmen.

… und für eine Branche, die zeigen muss, dass sie mehr kann als Marketing.

… AND NOW WHAT? 

Auch wenn das Bundeskabinett die Änderungen am Medizinal-Cannabisgesetz bereits beschlossen hat, ist der Prozess damit noch nicht abgeschlossen. Der Gesetzentwurf geht jetzt zurück zu Bundestag und Bundesrat (ist aber nicht abstimmungsrelevant), bevor er tatsächlich in Kraft treten kann. In beiden Kammern wird der Entwurf beraten, angepasst und schließlich zur Abstimmung gebracht. Fest steht aber schon heute, dass der sichere und verantwortungsvolle Zugang zu Cannabis immer zentrale Basis bleibt und heisst auch Grauzonen zu schließen, die qualitative Versorgung sichern – und eine Realität zu schaffen, in der die Unterscheidung zwischen Freizeit- und Medizinalcannabis über algorithmischen Bestellstrecken steht.

KEEP IT GREEN. KEEP IT SAFE. 

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